Alltag

Meine Woche 48 // Teilnehmer nicht erreichbar 

Mit etwas Verspätung kommt diese Woche der Auszug aus unserem Alltagsdschungel.

Samstag:

Wascht ihr die Spielsachen vom Kind? Bin ich eine Rabenmutter, wenn ich ehrlich gesagt  bis jetzt noch nie auf den Gedanken gekommen bin das zu tun? Der Drang, alle Babyutensilien zu waschen und zu sterilisieren, verging bei mir schlagartig, als wir mit Junior im Maxicosi, drei Tage nach seiner Geburt, zuhause ankamen und das haarige Fellmonster ihn mit seiner feuchten und nach Pedigree duftenden Zunge vertraut machte. Dies etablierte sich schnell als festes Element in der Freundschaft zwischen Junior und dem Hundetier. Als Junior dann irgendwann mit Spielsachen & Co. anfing, alles einmal ordentlich durchspeichelte und es dann dem Hund reichte, damit dieser es auch noch mal probelecken konnte, fing ich an, Sachen hier und da mal kurz unter fließendes Wasser zu halten. Nun ist das Kind ein Jahr alt und mindestens einmal die Woche werden auf unserem Wohnzimmerteppich die Klötzchen im Schneidersitz-Kreis herumgereicht und gruppenbesabbert. Das hat ein bisschen was von Joint rumreichen und dazu Bob Marley-Musik hören. Junior hat eh schon Gefallen an Bens kleiner Iro-Locke gefunden und wenn er weiterhin so viel nach ihr greift, hat Ben nach dem zehnten Besuch bei uns seine erste Dread-Locke.

Sollte man die Sachen waschen? Werden die Sachen in Spielcafés gewaschen? Ist das der Grund, warum Junior alle zwei Wochen einen Schnupfen hat? Sterben Bakterien, wenn auf Sophie, der Giraffe, die Sabberfäden trocknen?

Sonntag:

Fragen über Fragen und meist beschäftigen sie mich beim Einschlafen. Der Sohn schläft übrigens seit seinem Geburtstag durch und ich kann es noch gar nicht richtig glauben. Haben die schlaflosen Nächte ein Ende? Gehören nächtliche Spaziergänge durch die kalte Wohnung der Vergangenheit an? Nicht mehr nachts um 1 Uhr, um 4 Uhr und um 6  Uhr auf Hundeleckerlis, liegengebliebene Bauklötze und im schlimmsten Fall auf Bananenreste treten? Nicht mehr verschlafen in der Küche stehen und während die Milch warm wird das nächtliche TV-Verhalten, Sexualleben und Hauspartytreiben der Nachbarn beobachten? Aber ich würde lügen wenn ich sagen würde, dass es mir fehlen wird. Die ersten Tage hatte ich das Gefühl müder zu sein, weil mein Körper es gar nicht mehr gewohnt war acht Stunden am Stück die Augen zu schließen. Allerdings gleicht mein Schlafverhalten seit einem Jahr dem der Delfine. Die schlafen auch immer nur mit einer Gehirnhälfte, während die andere wach bleibt. Ich könnte ja was verpassen: Junior dreht sich von der linken Bettecke zur rechten, der Hund pupst oder vor dem Späti unter uns diskutiert eine Gruppe Hipster-Beutelträger, ob Club Mate vegan ist.

Montag:

Das mit dem Durchschlafen hätten wir also geregelt, jetzt fehlt nur noch das Einschlafen.  Ich überlege, ob ich eine Flasche Öl „aus Versehen“ an Juniors Kinderzimmertür auskippe. Die knarzenden Dielen machen mich fertig. Er hat die Augen zu! Er schläft! Eine falsche Bewegung und das Kind steht an seinem Gitterbett wie ein Schachtelteufel, der mit „tadaa“ aus der Kiste geschossen kommt. Ich könnte vielleicht Aufkleber-Punkte auf die Dielen kleben, die nicht so laut knarzen? Jeden Abend balanciere ich wie Catwoman (nur ohne Latex, dafür mit Essensflecken auf der Jogginghose und pinken Kuschelsocken) quer durch den Raum. Da weiß man dann doch seine früheren Ballettstunden aus der Kindheit wieder zu schätzen.

Dienstag:

Junior schafft es mittlerweile mein iPhone zu entsperren und Anrufe entgegen zu nehmen. Oft scheint es ein (un)glücklicher Zufall zu sein, aber Tatsache ist, sein Mini-Finger ist meinem wohl sehr ähnlich.

Bald kann er dann meine Korrespondenz regeln, oder besser gesagt, langfristig verhindern, dass hier überhaupt noch jemand anruft. Einmal gebückt um das Apfelstück aufzuheben bevor der Hund es verspeist, nur um Junior die nötige Bestätigung zu geben, dass herabfallendes Essen super ankommt (in seiner Schnauze)… kurz vom Bücken wieder hochgeschaut, kann ich gerade noch sehen, wie das Telefon einen doppelten Salto in den Banane-Hafer-Brei macht. Applaus für alle Beteiligten.

Mittwoch:

Nachdem der semi-vertrauenswürdige Handyladen um die Ecke, mein Telefon auch nur so semi-gut repariert hat, blieb mir nichts anderes übrig, als zum Apple-Laden zu gehen und es für den halben Preis gegen ein Neues einzutauschen. Mein Plan ging leider nicht auf, und der bärtige Mann im Apple-Laden fasste sich beherzt an seinen kugeligen Bauch, lachte und rief einen seiner rotgekleideten Kumpels zu sich, damit sie gemeinsam über die fragwürdige Zusammensetzung meines Handys lachen konnten. Ich musste kurz mitlachen bis ich im nächsten Moment wieder richtig, richtig sauer war und gar nicht wusste auf wen jetzt eigentlich am meisten. „Jute Frau, so kann ich ihnen aber ken Neues jeben, da passt ja kene Schraube ins richtige Loch!“.

Mit meiner ganzen Wut und dem Mutanten-Handy in der Tasche, ging es zurück zu Ali`s iPhone-Oase. „Technik, bla bla; Kontakt, bla bla; ist halt jetzt so…“, war irgendwie alles, was bei mir hängen blieb, während ich immer wieder von Ali`s betonierter Tollen-Frisur (Achtung: nicht tolle Frisur!) abgelenkt wurde. Sie bewegte sich keinen Zentimeter und sah aus, als hätte er heute Morgen jede Menge Zeit, drei Tuben Haargel und fünf Spritzer Ego for men dafür gebraucht.

Ergebnis: Ebay Kleinanzeigen. Susanne, 23. Zieht gerade mit ihrem Freund zusammen und hat ein neues iPhone abzugeben. Susanne happy mit Kohle, ich happy mit Handy, mein Bankberater happy wegen meiner Dispo-Zinsen und Junior happy, weil ich mir in seiner Gegenwart nun selbst ein striktes Handy-Verbot erteilt habe. Mal sehen wie lange ich konsequent sein kann. Als ich noch kein Kind und keinen Hund hatte, war ich eine weitaus konsequentere Mutter!

Donnerstag:

Ich habe einen Leistenbruch! Das hat mir gerade noch gefehlt. Angeblich ein Folgeschaden von Schwangerschaft und Geburt, kombiniert mit viel Tragen und einem schwachen Bindegewebe. Na bravo! Jetzt kommt zum gefühlten Cellulite-Wonderland auf meinem Po, auch noch eine OP und viel „aua“ dazu. Ich danke meinem Bindegewebe für die schwache Leistung.

Freitag:

U6 Untersuchung:
„Kann Ihr Sohn den Pinzettengriff?“  „Ja“, antworte ich.
„Läuft er schon?“ „Ja“
„Schläft er durch?“ „Ja“
„Plappert er schon ein bisschen?“ „Ja“
„Schaut er auf, wenn Sie seinen Namen rufen?“ „Ja“
„Versteht er was „nein“ ist?“ „Nein“

Die Arzthelferin dreht den Bleistift um und radiert das Kreuzchen weg.

Anschließend bekommt Junior zwei Spritzen in den Oberschenkel. Ich bin unglaublich stolz, er hat nicht mal „da“ gesagt (mehr kann er ja noch nicht sagen), geschweige denn geweint.

Und dann musste er die Jacke wieder anziehen…ich glaube bis nach Friedrichshain konnte man ihn noch schreien hören… .

Samstag:

Ich wäre so gerne schlagfertiger! Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht irgendeinen maßregelden, rügenden, unüberlegten, oder einfach nur unpassenden Satz zu hören bekomme.

Tag 1: Ich gehe mit dem Kind im Kinderwagen spazieren. Eine Frau, Mitte 40, krauses, braunes Haar, einem grünen Filzmantel und einem Fahrrad, auf dessen Gepäckträger ein pubertierendes Kind (Anfangsstadium mit fiesen Pickeln) sitzt. Sie ist Mutter (!) und murmelt beim Überholen genervt irgendwas wie „Gehweg gepachtet?“

Tag 2: Ich gehe mit Kind in der Trage spazieren. Ein älterer Herr mit weißem Bart, einer dicken Brille und einem Gehstock beim Entgegenkommen: „Ja saga mal, jibts heutzutage ken Kinderwagen mehr?“

Tag 3: Ich fahre mit Kind und Hund mit dem Lastenfahrrad Richtung Park. Da ich den Walk of Fame -Sonnenallee- dafür überqueren muss, sitzt das Hündchen neben dem Jungen in der Kiste. Der Hund darf erst laufen, wenn es keine akute Lebensgefahr mehr für ihn gibt. Crazy genug, dass uns auf der Riesen-Schüssel noch keiner angerammt hat. Eine rote Ampel, ein Mann lässt seine Autoscheibe runter und ruft „der Hund hat fei vier Bene!“. „Upps, danke! Das war mir irgendwie gar nicht so bewusst!“, war noch das Spontanste, was mir dazu einfiel und echt ein Highlight meiner Schlagfertigkeitskarriere.

Tag 4: (kein Witz!) Wir fahren wieder mit dem Rad, diesmal läuft der Hund (mit seinen vier Beinen) neben dem Rad her. Wir sind noch im Park. Eine Frau, eher schon um die 60, kommt supi sportlich mit ihrem Rennrad an uns vorbeigeschossen. Sie trägt einen weiß/roten Helm und eine weiß/rote Trainingsjacke. Bestimmt war sie mächtig stolz, diese Kombi gefunden zu haben. Nachdem sie uns überholt, dreht sie sich um, deutet mit ihrer Hand eine rügende Geste an und klärt mich auf, was das wohl für ein Stress für das arme Hündchen sei, neben dem Rad laufen zu müssen.

Suche ab sofort belastbare, studentische Aushilfe, die mir gute Sprüche für genau diese Klugscheißer zusammenstellt.

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