Alltag

Meine Woche 47 // Sultan und sein Trichter

Eine neue Woche, ein neuer Ausflug in den Alltagsdschungel.

Samstag:

Mein tägliches Leben ist vergleichbar mit einem Märchen. Ich folge einer Spur aus Brotkrümeln. Das Gute aber an einem Haushalt mit Hund und Kind ist, dass auch wenn du am Boden bist, ist immer noch genug Essen um dich herum.

Sonntag:

Kurz mal weggeschaut frage ich mich, wo das Streichwurstbrot vom Kind hin ist. Zwischen den Sitzbrettern des Stokke Stuhls klemmt der Hund mit seinem Trichter, den er immer noch wegen der -You Look Like A Sheep– Verwechslung von Lessie dem Hirtenhund tragen muss. Der Trichter des armen Tierchens hat sich verkeilt und nun steckt er im Stuhl. Scheint ihn aber nicht weiter zu stören, denn nun wird mir auch klar, was mit der Schnitte passiert ist. Das Hundetier schleckt wie wild 360° von innen den Trichter aus. Er sieht aus wie eine Cartoonfigur, bei der sich der Kopf einmal um den Hals drehen kann.

Es macht mich wahnsinnig. Es ist schwer genug das Kindchen vom Hündchen fernzuhalten. Entweder testet Junior, ob der Hund seinen Fell-Pyjama auch mal ausziehen kann oder das Hündchen testet, ob das Kind von Kopf bis Fuß überall gleich gut nach Brei- und Leberwurstresten schmeckt. Seit das haarige Tierchen aber den Trichter tragen muss (schon seit fast 2 Wochen), bin ich damit beschäftigt A: sämtliche Spielsachen, die Junior dem Hund in den Trichter wirft, wieder rauszufischen, B: Junior zu trösten, weil das Hündchen ihn beim Vorbeigehen mit ausladendem Trichter angerempelt hat, oder C: das Hündchen aus irgendwelchen Verklemmungen zu befreien (Stokke Stuhl, Gartenzaun, Treppengeländer, Unterbodenverkleidung von parkenden Autos). Noch eine Woche muss ich den Wahnsinn mitmachen bis die kleine, etwas ältere Tierärztin, die gerne mal ihre Sprechstundenhilfe anpöbelt und meinen Hund nach wie vor für ein Weibchen hält, die Fäden zieht und „die Charly“ vom Trichter befreit.

Außerdem freue ich mich darauf endlich das Bett nicht mehr mit „die Charly“ teilen zu müssen. Weil das arme Hündchen ja so verletzt ist, bin ich auf seine wehleidige Masche reingefallen und ließ zu, dass er am Fußende des Bettes schlafen darf. Mittlerweile wurde aus Fußende aber Kopfkissenende und jeden Morgen, wenn mein Sohn mit einem nachhaltigen Ich-bin-wach-Laut seinen Schlaf beendet und meine Augen aufgehen, blicke ich Nase an Nase in die karamellfarbenen Augen von „die Charly“.

Der Mann sagt, wenn man sich unseren Hund so ansieht und ihm tief in seine gutmütigen Augen schaut, dann wird einem klar, dass es den Buddhismus doch gibt und man immer auf sein Karma achten sollte. „Ja bestimmt“, sage ich und rieche den Entspannungs-Pups, der dem Hündchen entfleucht, als ich ihn hinterm Ohr kraule. „Unser Hund war bestimmt Sultan“, überlege ich laut, „und Sultan muss jetzt mal raus, sonst macht er sich gleich in sein haariges Gewand!“

Und so beginnt unser Morgen. Der Mann geht mit dem Hund vor die Tür und ich kümmere mich um die 8 kg Windel vom kleinen Sultan nebenan.

Montag:

Junior läuft (!) über die Wiese im Park…ein Regenwurm grüßt uns beim Überholen.

Dienstag:

Wenn ich auf dem Klo sitze und Kind und Hund vor der Tür lasse, dann hört sich das an wie bei einem Angriff von „The Walking Dead“. Nehme ich die beiden mit, dann schmeißt das Kind einen Hartgummi nach dem anderen in den Mülleimer, die Klopapierrolle in die Waschmaschine und der Hund zerbeißt Juniors Wasserspieltierchen. Als ich noch schwanger war, hat mir jeder geraten nochmal richtig viel zu schlafen. Ich sage Euch: Geht noch mal in Ruhe aufs Klo!

Mittwoch:

Ich habe versucht dem Kind die Fingernägel zu schneiden. Dann wurde es wieder dunkel und ich habe Abendbrot gemacht.

Donnerstag:

Ich stapfe durch das hohe Gras. Das Hündchen erkenne ich nur an seinem Palmenwedel-Schwanz, der zwischen den Grashalmen immer wieder nervös hin und her wedelt. Der Hund an sich steckt bis zum Hinterlauf im Mauseloch. Gut, dass ich ihn an der 25 Meter Schleppleine habe, falls er in China wieder rauskommt. Den ollen Trichter haben wir heute mal zuhause gelassen.

Ich kann meine Füße nicht sehen, Junior hängt in der Trage vor mir und plappert fröhlich vor sich hin. Es ist ein herrlicher, aber sehr kalter Tag auf dem Tempelhofer Feld und ich bin mit den Gedanken woanders. An vielen Tagen fällt es mir schwer beiden „Kindern“ gerecht zu werden. Während das Hündchen am liebsten viel Auslauf möchte und die Mäuse so tief in ihr Mauseloch jagt, dass sie am Grundwasser lecken können, will Junior lieber auf den Spielplatz oder mit dem Lauflernwagen den Kiez im Schneckentempo durchqueren. Ich versuche also immer wieder, dass beide auf ihre Kosten kommen. Das ist nicht immer leicht und es verlangt mir auf jeden Fall ab, dass ich meine Bedürfnisse nicht nur hinten anstelle sondern, dass sie meistens sogar hinten runterfallen. Das ist auch ok und so ist das, wenn man sich für Kind und Hund entschieden hat und beide einfach noch sehr klein und jung sind. Ein Leben ohne sie kann ich mir aber gar nicht mehr vorstellen. Ich könnte nicht auf die Kuschelabende mit Hund auf mir drauf verzichten. Wie er mir die Füße abschleckt, mich anschaut oder seine feuchte Schnauze an meinen Hals drückt. Ich liebe dieses Tierchen, auch wenn er mir sehr oft den letzten Nerv kostet.

Dass ich ohne Junior nicht mehr könnte, ist selbstverständlich. Er ist eine kleine Motzkröte und seit seiner Geburt sehne ich mich nach nichts mehr als Schlaf, Urlaub und beim DM mal wieder in der Nagellackabteilung zu verweilen. Stattdessen hetze ich mit dem Einkaufswagen auf direktem Weg zum Windelregal. Aber diese unfassbare Liebe, die ein Kind einem entgegenbringt, obwohl es noch nicht sprechen kann, ist unbeschreiblich. Ich liebe es, wie er mich in der Trage von unten anstrahlt, wenn ich ihn durchkitzle oder in den Oberschenkel beiße, und er vor Lachen kaum noch Luft bekommt, wenn ich morgens seine Tür öffne, und er mich ganz verschlafen aus seinem Bettchen anlacht. Man wird plötzlich wieder albern, man verliert dieses „perfekte Gesicht“, das man sich für die Welt da draußen oder den Berufsalltag angeeignet hat. Man wählt Klamotten nach ihrer Bequemlichkeit und Funktionalität aus (und das aus meinem Mund!). Man macht die Haare nur zu einem Knoten (gut, in Berlin eine Uniformfrisur, wenn man zwischen 16-46 Jahre alt ist). Man mischt sich plötzlich ein und pöbelt, wenn das Wohl des Kindes (und Hundes) in Gefahr ist (skrupelloser Förmchenklau auf dem Spielplatz oder unangeleinte Hunde, die meinen Hund belästigen). Man rutscht Rutschen runter, baut Sandburgen, sitzt/liegt/kniet im nassen Grass und spielt an roten Ampeln den größten Albern-Clown, den die Menschheit je gesehen hat. Wunderbar.

Und während ich so mit den zweien auf dem Tempelhofer Feld marschiere, mit dem Kleinen in der Trage herumalbere, wundere ich mich, dass der Hund an der Schleppleine brav hinter mir hertrottet. Dass ich aber seit zwei Kilometern nur das Geschirr und die Leine hinter mir herschleife, wird mir erst später bewusst. Hündchen bleibt wohl noch auf einen heißen Tee mit Mini Maus bei Loch 18.

Freitag:

To Do Liste wenn Junior nachts weint:

  • dann wird ihm Milch gegeben – er weint weiter
  • dann wird ihm Wasser gegeben – er weint weiter
  • dann wird er hochgenommen – er weint weiter
  • dann wird gewippt – er weint weiter
  • dann wird gesungen – er weint weiter
  • dann wird ´ne frische Hose gemacht – er weint weiter
  • dann werden Hilfsmittel gegeben (Nasenspray/Zahnkügelchen) – er weint weiter
  • dann, wissen wir nicht weiter

2 Kommentare zu „Meine Woche 47 // Sultan und sein Trichter

  1. Liebe Saskia,
    ich lese und schmunzele. Manchmal glaube ich sogar laut…
    Sehr schön! Besonders gerne mag ich den Tipp, nochmal in Ruhe aufs Klo zu gehen. So true…(Und ich habe keinen Hund)
    Macht Spaß, Dein Blog!
    Liebe Grüße aus dem Bayernland

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  2. Liebe Anna-Lena, ach das freut mich zu hören. Manche Dinge müssen einfach mal gesagt/geschrieben werden… und den Hund kannst du gerne ausleihen ;-) Liebe Grüße in den Süden

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