Kanga, was bedeutet das eigentlich? Auf jeden Fall erinnert es an ein Känguru und siehe da, googelt man das Wort bekommt man zwei Antworten. Die Erste: Kanga ist ein traditionelles afrikanisches Tuch, das auch zum Babytragen um den Körper gewickelt werden kann. Der zweite Google Treffer geht an ein Känguru namens Kanga aus der Geschichte Winnie Puuh, das sein Baby im Beutelsack trägt und ein paar Kilos zu viel auf den Hüften trägt. Ich fühle mich sofort angesprochen.
Herrje, und nu?
Ich glaube, ich bin der unsportlichste und koordinationsloseste Mensch auf der Welt. Ballett: Alle drehen sich nach links – ich drehe nach rechts. Hip Hop: alle jumpen hoch – ich springe wenn alle schon wieder mit den Füßen am Boden sind. Yoga: Alle atmen ein und ich…. immer noch der herabschauende Hund.
Der Wille ist da, zumindest manchmal. Ich bin leider auch jemand der alles haben, aber nichts dafür tun will. Ich will sparen – verfalle aber wöchentlich dem Onlineshopping zum Opfer. Ich will Italienisch sprechen können – hasse aber Vokabeln lernen. Ich will kochen – drehe mir aber die Rezepte so, dass sie zur Bestandsliste des Kühlschranks passen und ich will eine super Figur haben, mag aber weder Sport machen, noch auf Schokolade verzichten. Hmm, man könnte meinen ich habe ein sehr inniges Verhältnis mit meinem Schweinehund (an dieser Stelle ist nicht der Hund gemeint) und stehe mit der Disziplin auf Kriegsfuß. Ja vielleicht, wobei ich schon in der Schwangerschaft fleißig zum Schwangerenyoga gegangen bin. So konnten sich zumindest meine höllischen Rückenschmerzen entspannen, während ich damit beschäftigt war den Bauch nach links oder rechts zu schieben, um auch nur annähernd mit den Händen an meine Schienbeine zu kommen. Meist freute ich mich aber auch schon darüber, sie mal wieder zu sehen.
Nach der Geburt ging es dann direkt mit dem Rückbildungskurs weiter und anschließend hat mich der Gruppenzwang ins Kanga getrieben. Man könnte sagen, ich habe Fitnesskarriere gemacht. Die Hebamme Petra Scheer, gerade selbst wieder schwanger mit Zwillingen, leitet den Rückbildungskurs und ist auch Kanga Trainerin. Es war so eine Art Gruppen-Ding, dass wir alle beschlossen nach dem Rückbildungskurs mit Kanga weiterzumachen. Das klingt jetzt so negativ, soll es aber gar nicht sein. Tatsächlich bin ich seit acht Monaten glückliche und treue Kangageherin.
Aber was ist eigentlich Kanga?
Kurz gesagt: Man schnallt sich sein Kind mit der Trage um und macht Sport. Das klingt recht easy, aber wer macht schon mit einer 5-10 kg Hantel am Körper Fitness? Ich hatte auf jeden Fall den Muskelkater meines Lebens. Die Stunde beginnt mit ein paar Aufwärmübungen auf der Matte, während alle Babys in der Mitte des Raumes auf einer Decke liegen, sich gegenseitig ablutschen, sich die Finger in die Augen piksen und vergnügt vor sich hin glucksen. Petra ist der Inbegriff in Multitasking. Während sie den Drillmaster für uns macht, macht sie die Übungen selbst vor, passt auf, dass Baby 1 mit Rassel, Baby 2 ohne Rassel, nicht auf den Kopf haut; dass Baby 3 und 4 nicht davon krabbeln; wippt Baby 5 auf dem Arm, während sie Baby 6 mit ihrem Fuß unterm Po etwas schaukelt. Schon öfters hatte sie drei Babys gleichzeitig auf dem Arm! Eines in der Trage, eines links und eines im rechten Arm. Man würde meinen, der liebe Gott wusste, warum er ihr nun Zwillinge schenkt. Wenn es eine kann, … .
Ich. Kann. Nicht. Mehr.
Nach den Aufwärmübungen, by the way ich bin jetzt schon durchgeschwitzt, kommen die Babys in die Trage und dann heißt es gute Nacht. Mein Kleiner schafft es maximal bis Lied Nummer drei, bis er anstandslos den Kampf aufgibt und wie ein kleines Faultier in der Trage zusammensackt. Keine Ahnung warum Babys es lieben wenn sie so richtig durchgeschüttelt werden (ich meine jetzt nicht Schütteln an sich, sondern am Körper schaukeln!!). Die Trage ist immer, absolut immer, eine top Möglichkeit ihn zum Einschlafen zu bringen.
Hoch, runter, sqcuad, restep, und jetzt die Arme, Drehung…das ist vergleichsweise so, als würden wir in einem thailändischen Schnellboot, das über den Pazifik jagt, versuchen ein Schläfchen zu halten.
Sowohl von meiner Krankenkasse, die den Kurs leider nicht übernehmen will, weil sie OTon: „Doch keine Krabbelstunde und Mutter/Kind Spaß bezahlen wollen“, als auch von manchen Männern wird Kanga oft unterschätzt und belächelt. Diesen Leuten kann ich aber nur sagen: Versucht es doch mal selbst euch eine 10kg Hantel auf den Bauch zu schnallen und dann 60 Minuten Fitness, Tanz und Stretching zu machen (vielleicht noch nach einer schlafmageren Nacht mit einem zahnenden Baby). Ich bin seit Kanga nicht nur fitter und habe weniger Rückenschmerzen, es ist auch für den Kurzen ein Highlight in der Woche mit den anderen Stöpseln abzuhängen und fremdes Spielzeug durchzuspeicheln. Ach ja, und wir Muttis können uns auch noch austauschen.
Kanga gibt es mittlerweile in fast jeder deutschen Großstadt. Infos unter: http://www.kangatraining.de und wer aber noch Schwanger ist oder lieber Sport ohne Baby machen will, für den gibt es auch Prekanga und Kangaburn.
Meine Hebamme des Vertrauens und Top-Kanga-Trainerin Petra Schweers hat mir noch schnell ein paar allgemeine Fragen für Euch beantwortet, bevor sie Ende des Jahres selbst in den Mutterschutz geht.
Petra, du bist eigentlich Hebamme, wie, wann und warum bist du zum Kanga gekommen?
In meinem Beruf als Hebamme leite ich regelmäßig die Rückbildungskurse in meiner Praxis in Alt Treptow bei den „Kiezhebammen“. In diesen Kursen wurde der Wunsch auf weitere Fitnesskurse mit Baby immer häufiger an mich gerichtet, nur fehlte mir die Kompetenz hier anzuknüpfen. Schließlich sprach mich eine Hebammenkollegin auf Kangatraining an und, ob ich nicht mit ihr zusammen die Ausbildung in Wien machen würde. Somit hab ich mich sehr spontan angemeldet und freue mich, nun schon fast zwei Jahre dabei zu sein.
Was ist dir in deinen Kursen besonders wichtig?
Meine Kurse sind mit der Zeit ausschließlich offene Kurse geworden. Das heisst, es gibt zwei Termine in der Woche und die Mütter können selbst entscheiden wann und wie oft sie kommen. Die jungen Mütter brauchen dann doch mehr Flexibilität, die ich selber auch bevorzugen würde. Um ihnen aber nicht den sportlichen Ehrgeiz zu nehmen, sind die Karten mit einem Gültigkeitsdatum versehen. Jede Woche gibt es eine neue Playlist, damit mir und den Teilnehmerinnen nicht langweilig wird. Anfänger und Fortgeschrittene trainieren zusammen und bekommen unterschiedliche Übungen, je nach Leistungslevel.
Wieso ist Kanga ein ideales Fitnessprogramm für Mamas?
Kangatraining ist super für „frisch gebackene Mütter“ geeignet, da es den Beckenboden und Rücken zugleich schont und stärkt. Die Frauen kommen stressfrei zum Sport und die Babys genießen bei einem Nickerchen die Geborgenheit der Mutter. Das Leistungsniveau ist bei jeder Mutter unterschiedlich. Deswegen machen nicht alle die gleiche Übung. Wir sind nicht im Bootcamp und jeder hat die Ruhe, seine eigene Fitness zu steigern. Das Ganze findet in einer angenehmen Atmosphäre statt und der nette Austausch mit anderen Müttern ist sehr willkommen.
Worauf sollte Mama beim Kanga Training achten und worauf achtest du?
Beim Kangatraining sollte man darauf achten, dass die Gelenke nicht falsch beansprucht werden, die richtige Trageposition eingehalten wird, Babys Köpfchen gut gestützt ist und auch immer wieder zwischendurch getrunken wird. Nach dem Training wird nicht mit verschwitzter Sportkleidung rausgegangen, auch hier wieder, um die Gelenke zu schonen. Es gibt für mich bei jeder Übung immer wieder genug zu tun, damit alle „sauber arbeiten“. Mir wird also auch nie langweilig!
Was passiert wenn ein Baby die ganze Stunde weint?
Es kommt sehr selten bis nie vor, dass ein Baby wirklich die ganze Stunde durchweint. Wenn es doch so ist, dann muss man irgendwann auch einsehen, dass das Baby sich gerade nicht wohlfühlt und aufhören. Das ist aber wie gesagt erst ein einziges Mal passiert. Ich habe in diesem Fall auf eine detaillierte Trageberatung und eventuellen Besuch bei einem Osteopathen verwiesen. Babys wollen eigentlich von Natur aus gerne getragen werden. Dass sie aufgeregt sind und immer mal wieder sich bemerkbar machen ist völlig in Ordnung, schließlich ist die Mutter auch aufgeregt. Aber nach ein paar Liedern sind die meisten entspannt, oder schlafen.
Was darf beim Training auf keinen Fall fehlen?
Musik, Trage, Lust an Bewegung, Wasser und Freude am Lachen…
Wie lange kann ich mit meinem Baby Kanga machen?
Ganz unterschiedlich. Manche Frauen absolvieren zwei 8-Wochen-Kurse und andere bleiben bis zur Kitaeingewöhnung.
Du bekommst selbst bald Zwillinge, kann ich auch als Zwillingsmama Kanga machen?
Natürlich. Eine Zwillingsmama war lange bei mir im Kurs, dabei hatte jeweils sie und ich ein Kind in der Trage. Wenn es mir als Trainerin aber nicht möglich sein sollte das zweite Kind zu tragen, kann die Zwillingsmama auch gerne eine Freundin mitbringen und diese macht dann auch mit.
Wenn ich nach der Elternzeit wieder Kurse gebe, wird mein Freund mit beiden Babys die Mittagspause verbringen, damit ich mich wieder voll und ganz auf die Mütter konzentrieren kann,…:-)
Vielen Dank Petra und alles Gute für den Endspurt Deiner Schwangerschaft.