Alltag

Kinder killen nicht die Partnerschaft! Interview mit einer Sexologin

IMG_2419Liebe, Sex und Partnerschaft. 

Ich lehne also an der Küchenspüle und nehme einen kräftigen Schluck aus meiner Tasse Kaffee. Was für eine Wohnung. Altbau. Fischgrätenparkett. Stuck. Muss ein Vermögen hier in München kosten. 

Ann-Marlene steht noch im Bad, föhnt ihre Haare und erzählt mir von Sex-Burnouts, Überreizung unserer heutigen Gesellschaft und davon, dass das die Wohnung einer Freundin ist, bei der sie untergekommen ist, während sie hier in München einen Vortrag hält. 

Ich liebe meinen Job, weil man sich immer wieder mit spannenden Menschen austauschen kann, die man vielleicht so nie kennengelernt hätte. Eigentlich wollte ich mit Ann-Marlene ein Castingvideo für eine neue TV-Show drehen. Ich würde aber eher sagen, dass mich hier eine exklusive Paartherapie inkl. großartigem Kaffee-Date erwartete. 

Hat sie gerade Penis gesagt? 

Ja, Ann-Marlene nimmt kein Blatt vor den Mund. Ich freue mich, euch Deutschlands wohl bekannteste Sexologin und Paartherapeutin vorzustellen. 

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Ann-Marlene Henning kommt ursprünglich aus Dänemark und lebt heute in Hamburg.

Mit dem Modeln hat sie ihr Psychologiestudium finanziert. Stationen wie Scheidung, schwere Krankheit, Verluste und Fehlschläge waren ebenso in ihrem Leben vertreten, wie Freundschaften, Liebe, Erfolge und die Geburt ihres Sohnes.

Sie hat Bücher geschrieben, Auszeichnungen bekommen, war im TV und hat ein erotisches Kartenspiel entworfen, das dafür sorgt, dass die, die es spielen, sich wieder wirklich nahe kommen … you know what I mean? 

„Es geht nicht um Blasen oder sonst was!“

„Es geht um die Neugier. Herauszufinden, was man überhaupt will. Die Beziehung gemeinsam zu reflektieren.“

Und so stehen wir da, Ann-Marlene und ich, in meiner neuen Traumwohnung und reden über Männer, frühere Beziehungen, wie Kinder die Beziehung verändern und warum manche diese fordernde Zeit eben doch nicht packen. 

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„Die Probleme entstehen, wenn das Paar sich nicht mehr auf Augenhöhe begegnet. Kinder bekommen ist eine Phase der Partnerschaft, eine sehr schwere. Der große Faktor dabei ist die Zeit. Die Kinder beanspruchen Zeit. Zeit, die man davor vielleicht in sich selbst, in den Partner und in die Partnerschaft gesteckt hat.“

„Kinder zu bekommen ist die Phase einer Partnerschaft, bei der die schwächste Seite von beiden durchkommt.“

„Man ist im Stress, man ist unausgeschlafen, man hat keine Zeit mehr für sich und seine Bedürfnisse. Wenn dann nur eine der drei Säulen, die die Grundbausteine einer Partnerschaft sind, nicht mehr stabil ist, wackelt das ganze Konstrukt.“ 

Immer häufiger bekommen wir es momentan im Bekannten- und Freundeskreis mit, dass sich Paare mit kleinen Kindern trennen. Die Sexologin Ann-Marlene sagt, wir Menschen denken immer groß, aber wenn es um die Beziehung geht, sollten wir in kleinen Schritten denken. 

„Schatz, wir müssen reden!“

Ich würde lügen, wenn ich nicht sagen würde, dass auch wir schon mehrmals an dem Punkt waren, an dem man seine Partnerschaft infrage stellt. An dem man zweifelt oder hinterfragt. Man versinkt im Alltag, lebt sich auseinander. An einem der Punkte musste ich vor ein paar Monaten die Handbremse ziehen. Es kann doch nicht sein, dass diese zwei charmanten Terror-Zwerge, plus unerzogenem Mutantenhund, es schaffen, so einen Keil zwischen uns zu schlagen. Also habe ich mich hingesetzt und die Fehlerquellen gesucht. Die Dinge, die uns voneinander entfernen. 

  1. Das Bett. 
  2. Die Couch. 
  3. Die fehlende Zeit. 

Zu 1: Wir haben zwei nicht gut schlafende Kinder. Also schlich sich eines Tages die Konstellation ein, dass jeder mit einem Kind in einem Zimmer schläft. Das Ende vom Lied, jeder bekam zwar das Maximum des möglichen Schlafes ab, aber wir schliefen nicht mehr in einem Bett. Lösung: Nach unserem Urlaub steckten wir beide Kinder in ein Zimmer und eroberten uns unser Schlafzimmer zurück. Das klappte erstaunlich gut. Es ist einfach großartig abends in sein Zimmer und in sein Bett gehen zu können, das Licht anmachen zu können und sich nicht jede Nacht heimlich, still und leise ins Zimmer zu schleichen, sich doch wieder an der Bettkante zu stoßen und mantraartig zu beten, dass das Kind nebendran nicht aufwacht. 

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Zu 2: Wir haben in eine neue Couch investiert. Eine bequeme, auf der wir abends gemeinsam liegen, fleetzen und kuscheln können. 

Zu 3: Ich habe gelernt, Hilfe anzunehmen und Zeit freizuschaufeln. Sei es für einen Kurzurlaub zu zweit, feiern gehen mit den Girls, ein guter Abend in einer Bar, Spa, die Kids bei Oma schlafen lassen, ein Babysitter, eine Putzfrau, ein Familienurlaub o.ä.. Die Zeit bewusster für mich und für uns zu nutzen. 

Zurück zum inspirierenden Gespräch mit Sexologin Ann-Marlene… 

„Man sollte sich fragen, wie signifikant ist es, wenn man sich keinen Kuss mit Zunge mehr gibt?“ 

„In einer Partnerschaft ist es wichtig, dass man sich selbst und die Partnerschaft lernt richtig einzuordnen. Einen Status Quo zu machen. Was für ein Paar sind wir? Was fehlt dir/ was fehlt mir? Was können wir verändern? Eltern sind oft faul, sie sind erschöpft und haben keine Kraft sich die Mühe zu machen.“

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Es gibt drei Arten von Paaren. Das Steit-Paar, das sich immer wieder wegen der gleichen Probleme streitet. Das Heimlich-Paar, das die Themen nicht zur Sprache bringt und die Dinge in stiller Einvernehmlichkeit akzeptiert. Und das Lebendige-Paar, das es aushalten kann und sich traut zu sagen, was sie doof finden, inmitten einer stressigen Situation (Achtung, hier ist nicht gemeint, sich in einer stressigen Situation sämtliche Gemeinheiten und Vasen an den Kopf zu knallen, sondern ernsthaft in Kontakt zu treten). 

Wir müssen lernen, uns zu verstehen, eigene Muster zu erkennen, sonst machen wir dem anderen nur Vorwürfe.“ 

Die Partnerschaft hat eine Gummibanddynamik. Mal spannt sie mehr, mal weniger.“ 

 „Es gibt keinen Selbsttest für die Partnerschaft, aber es gibt ein kleines Grundgerüst. Drei Säulen. 

Die erste Säule ist das Körperliche. Die Sexualität, ein Kuss zum Abschied, eine Berührung zwischen all der Hektik im Alltag, zwei Hände, die sich halten, während man abends auf der Couch TV schaut. Die Frage, interessiert mich mein Partner überhaupt noch?

Ist diese Säule nicht mehr stabil, heißt das nicht, dass die Beziehung nicht funktioniert. Oft kommt es dann aber zur Untreue. „Die Frau befriedigt die Körperliebe durch die Kinderliebe und der Mann verreckt!“, so Ann-Marlene. Wenn der Sex fehlt, damit kann man eine gewisse Zeit leben, aber wenn die Berührung weg ist, ist es menschlich dieses Bedürfnis anderswo zu stillen. 

Die zweite Säule sind die Emotionen. Die Liebessäule mit Gefühlen, mit Intimität. Habe ich ein gutes Gefühl in der Partnerschaft? Oder besteht vielleicht sogar ein Ekelgefühl, ein Wutgefühl.“

Erotik ist abhängig vom Rahmen und der Person, nicht vom Sex“

Die dritte Säule ist der Alltag. Die Logistik und Aufteilung innerhalb der Familie.

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Ich habe das Gespräch mit Ann-Marlene sehr genossen. Eine tolle Frau, die immer wieder Sprüche rauslässt, die einen zum Schmunzeln bringen. 

„Wenn Paare zu mir kommen bedeutet das nicht, dass sie versagt haben. Im Gegenteil, wir haben Spaß gemeinsam, wir sprechen, reflektieren und rollen die Themen gemeinsam auf. Die Paare fragen mich danach immer, ob ich ihnen eine Hausaufgabe mitgeben kann. Irgendetwas mit an die Hand geben kann. Aus diesem Grund habe ich das Spiel entwickelt.“

Hier gehts zum Spiel.

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